jueves, 5 de noviembre de 2009

ARTÍCULO DE FENNA BUSMANN PUBLICADO EN LA UNIVERSIDAD DE HAMBURGO.

Fenna en la puerta del centro de inmigrantes en Melilla
2009

„Sie fangen wieder damit an, Kinder abzuschieben.

Gestern haben sie drei Jungen zwischen 11 und 13 nachts aufgegabelt und über die Grenze nach Marokko gebracht.“

Wo sind wir denn hier, denke ich mir als ich diese Nachricht empfange.

Wir sind in Melilla, eine Stadt, die an der Mittelmeerküste Marokkos liegt und seit 1497 politisch zu Spanien gehört. Eine Enklave. Auf verschiedenen Tourismusseiten wird Melilla „Das Tor Afrikas“ genannt. Ca. 69.000 Menschen leben hier, die Stadt ist 12 km2 groß und umgeben von einem 12 km langen Zaun. Dieser misst sechs Meter und ist umwickelt mit Nato-Draht. Gehe ich auf „meiner“ Seite des Zauns entlang, so sehe ich auf der anderen Seite Marokko.

Sehe ich den Unterschied zwischen Europa und Afrika? Zunächst fallen mir nur die Unterschiede an Uniformen und Waffen der marokkanischen Soldaten gegenüber der spanischen Guardia Civil auf: Alle 50 m steht ein Marokkaner, wedelt mit seinem Maschinengewehr oder einem Schlagstock, der an der Spitze mit Stacheln versehen ist. Auf „meiner“ Seite patroulliert die Guardia Civil in glänzenden Geländewagen am Zaun auf und ab, ausgestattet mit Waffen, wie wir sie von der Polizei kennen.

Nur drei Meter voneinander entfernt ist der Auftrag der Spanier und der Marokkaner der gleiche: Schütze den Zaun. Er muss seine Funktion erfüllen.

Klartext: Lass die Menschen, die aus Ländern südlich der Sahara kommen und die sich hier in den Wäldern des Berges Gourougu (gleich im Rücken der marokkanischen Soldaten) versteckt halten, nicht passieren, lass sie nicht nach Europa vordringen, genauso wenig wie die Marokkaner, die dies versuchen könnten.

Das verstehe ich nicht. Warum sichern die Marokkaner diesen Zaun? Diesen Zaun, der doch mit seinem Stacheldraht, seiner Höhe und der dadurch vermittelten Aggressivität so sehr ein Sinnbild der Politik Brüssels bietet und ihre eigenen Leute benachteiligt.

„Sie werden bezahlt.“

Ich erfahre, dass die EU in diesem Jahr beschlossen hat, Marokko 67.625.000 € für den „Luttre contre les migrations illégales“ (Kampf gegen die illegale Migration) zu zahlen.

Es ist ganz einfach.

Nachdem das marokkanische Militär den europäischen Auftrag unterstützt, ist es fast unmöglich, mit nur einem gebrochenen Bein (vom Aufprall auf spanischem Boden aus sechs Metern Höhe) den Zaun zu überqueren. Ein Migrant muss nun Schlagstock, Gewehrkugeln und Gummigeschosse fürchten, wenn er nach Europa einreisen möchte. Geschossen wird durchaus häufiger als es die Behörden im Nachhinein zugeben und die Bewohner Melillas berichten aus Zeiten, in denen nachts Maschinengewehrsalven vom Zaun her ertönten. Das war 2005. 2006. Manchmal auch heute noch.

Eine andere Möglichkeit in die Stadt zu gelangen, ist es, sich im Laderaum eines Lastwagens zu verstecken und zu hoffen, unentdeckt über die Grenze zu kommen. Hiervon wird die Mehrheit der Migranten durch hochtechnische Sensoren abgehalten, die anzeigen, wie viele Herzen in dem jeweiligen Wagen schlagen.

Alle Erwachsenen, die es nach Melilla schaffen, müssen sich bei der Polizei melden und dann auf einen Platz im staatlichen Auffanglager CETI hoffen. Von dort stellen sie einen Asylantrag und dann warten sie. Normalerweise gilt in Spanien die Regel, dass man lediglich 45 Tage in einem Asylbewerberheim festgehalten werden darf. Danach ist man frei zu gehen, wohin man möchte.

Auch hier im spanischen Afrika gilt dies. Aber es ist dennoch anders. Wo soll man auch hin? Hinten Marokko, von dort ist man gekommen, vorne das Mittelmeer. Una cárcel con un patio grande. Ein Gefängnis mit großem Garten.

Der dritte Weg führt übers Meer. Meist wird er von Kindern gewählt. Sie schwimmen.

Sie erzählen mir, dass es ca. eine Stunde dauert, über diesen Weg zu kommen. Wenn ich sie frage, ob das nicht gefährlich ist, antworten die Jungs häufig „Nöö, das geht schon, das hab ich schon öfter gemacht.“

Kinder unter 18 darf man nicht abschieben, da sind sich die Mitgliedsstaaten der EU einig. Wieso müssen sie dann öfter schwimmen, wenn sie nicht abgeschoben werden dürfen?

Das oben auszugsweise aufgeführte Gespräch beschert mir auch hierüber Klarheit: So selbstverständlich dieses Abschiebeverbot auch zu sein scheint. Es ist es nicht. Nicht hier.

Hier werden Kinder nachts auf der Straße nach ihrer Dokumentation gefragt. Normal. Die tragen sie bei sich, mit Geburtsdatum und Angabe über ihren Wohnort. Vorbildlich. Sie wohnen im staatlichen Kinderheim. Unter diesen Umständen ebenfalls normal. Doch was dann passiert, ist rechtswidrig: Die Beamten lassen die Kinder in ihren Dienstwagen steigen und fahren los, durch die schlafende Stadt. Nach höchstens 10 Minuten dürfen die Kinder wieder aussteigen und die Beamten drehen ihnen den Rücken und fahren zurück nach Spanien. Normal, würden einige vielleicht auch dazu sagen.

Aber keiner sieht´s.

Die meisten der Bewohner des staatlichen Kinderheims ziehen jedoch auf dem normalen Wege aus: Am 18.Geburtstag werden sie auf die Straße gesetzt. Ohne Bleibe, ohne Geld, ohne Aufenthaltsgenehmigung.

Drei Monate haben sie dann Zeit, um eine neue Aufenthaltserlaubnis zu beantragen.

Der Berg von Papierkram, den es einzureichen gilt, wächst von Behördengang zu Behördengang. Jedes Mal, wenn ein marokkanisches Kind mit den von ihm verlangten Unterlagen und neuer Hoffnung an den Tresen der „Oficina de extranjería“ tritt, wird ihm mit Abneigung in den Augen und ohne die Bereitschaft, auch nur ein kleines wenig langsamer zu sprechen, auferlegt, ein erneutes Papier einzureichen – selbst wenn dies für die Bearbeitung des Falles mehr als irrelevant ist. Sogar die frühere Aufenthaltserlaubnis aus den Tagen, in denen das Kind auch auf Papier noch Kind war, wird häufig verlangt. Und das nur, um dann Monate später, am Ende des Bearbeitungsprozesses, eben diese alte Genehmigung sehen zu wollen mit dem Hinweis, dass ohne Vorlegen der alten auch die neue nicht ausgestellt werden kann.

So scheitern monatelange Behördengänge, zu denen sich ein marokkanisches Waisenkind erstmal allein durchringen und für die es die nötigen Verwaltungsgebühren auftreiben muss, in letzter Minute – und das meist zu Unrecht.

Die, die hier nach ihrem Auszug aus dem Kinderheim in Felshöhlen am Meer oder auf der Straße leben, träumen von einem besseren Leben, von einer Zukunft. Dafür lassen sie alles zurück. Ihr Zuhause, ihre Familien, ihre Sprache. Und die, die tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung erlangen, verlassen Melilla mit dem großen Boot, das sie auf das europäische Festland bringt.

Normalerweise kehren sie nach einigen Jahren zurück. Zurück nach hause. Zurück durch „das Tor Afrikas“, das sich nur zur einen Seite hin öffnen lässt.



Fenna es estudiante de Derecho y cooperante de PRODEIN